Historischer Rundgang Station 1


Bahnübergänge

Bereits in den 1840er Jahren hatte sich das Großherzogtum Baden für den Bau einer Eisenbahnverbindung nach Württemberg eingesetzt; zunächst lange vergebens. Zwei wichtige Aufgaben sollte die Linie haben: Einerseits wollte man die Industriestadt Pforzheim an das Schienennetz anbinden, andererseits wollte man eine möglichst direkte Verbindung für den Transitverkehr von Frankreich nach Süddeutschland und Österreich-Ungarn schaffen. 

In einem Staatsvertrag zwischen Baden und Württemberg wurde 1850 der Bau der Westbahn von Stuttgart nach Bruchsal vereinbart und dem Land Baden gleichzeitig das Recht eingeräumt, eine Zweigstrecke über Pforzheim nach Karlsruhe einzurichten. Allerdings sollte es noch eine geraume Zeit dauern, bis der Bau in Angriff genommen wurde. Erst nachdem sich die politische und wirtschaftliche Situation Badens nach der Revolution 1848/49 gebessert hatte und die Rheintalbahn von Mannheim nach Basel 1855 fertiggestellt war, konnte man sich diesem Vorhaben zuwenden. Die Strecke zwischen Durlach und Wilferdingen konnte am 10. August 1859 und der Weiterbau nach Pforzheim am 7. Juli 1861 eingeweiht werden. In Durlach bestand Anschluss an die Hauptbahn nach Karlsruhe. Die 1857 vereinbarte und 1861 fertiggestellte Rheinbrücke bei Kehl verlieh dem Bahnprojekt Durlach-Pforzheim zusätzlichen Schub, da nun dem Transitverkehr aus Frankreich nur noch diese Strecke im Wege stand.

Ursprünglich war eine Streckenführung ab Wilferdingen über Nöttingen, Ellmendingen und Dietlingen nach Pforzheim ins Auge gefasst worden. Diese wurde wegen der ablehnenden Haltung der Gemeinden Ellmendingen und Dietlingen dann zugunsten der heutigen Strecke aufgegeben. Für den Arbeiterberufsverkehr vor allem nach Pforzheim aber auch nach Durlach und Karlsruhe spielte diese Bahnverbindung in den folgenden Jahrzehnten eine immer wichtigere Rolle. 

1863 wurde die Teilstrecke zwischen Mühlacker und Pforzheim fertiggestellt. An dieser Strecke hatte Württemberg ein hohes Interesse, war es doch eine Voraussetzung für den Bau von Eisenbahnen in das Nagold- und Enztal. Die Täler gehörten überwiegend zu Württemberg. 

Die Eisenbahnlinie wurde südlich von Singen durch das Quellgebiet der Breitwiesen geführt. Diese reichten vom Buchwald bis zur Pfinz und waren zum damaligen Zeitpunkt unbebaut. Heute sind die Breitwiesen zwischen der Bahnlinie und der Pfinz vollständig bebaut („Teufelsviertel“). Die Bundesstraße 10 gab es noch nicht; sie wurde erst 1937 fertig gestellt. Der Straßenverkehr zwischen Durlach und Pforzheim wurde durch die Singener Hauptstraße, die heutigen Marktstraße, geleitet. Im Zuge des Eisenbahnbaus wurde am westlichen Ortseingang ein Bahnübergang errichtet sowie ein zweiter bei der damals südlichen Ortszufahrt Richtung Wilferdingen, bei der heutigen Fußgänger- und Fahrradunterführung. Weil es bis dahin aber noch keine Bahnunterführung gab und der Weg von Singen zum Bahnhof nur über diesen Bahnübergang führte, konnte es sein, dass man bei geschlossenen Schranken „seinen“ Zug in den Bahnhof einfahren sah. Die Dampfrösser in früheren Zeiten waren aber so langsam, dass man mit den „Beinen unter dem Arm“ meist doch noch den Zug erreichte. Manch einer sprang noch auf die Plattform der Waggons auf, wenn der Zug schon anfuhr. 

Auch Bertha Benz musste die beiden Bahnübergänge auf Ihrer denkwürdigen Fahrt nach Pforzheim überqueren. Sie kam von Kleinsteinbach her und Bahnwärter Oskar Kullmann nahm sie als erster wahr. Alles rannte aufgeregt auf die Straßen um mit Schrecken und Verwunderung die „fahrende Schees ohne Geil“ zu bestaunen. Die Übersetzung für Dialektunkundige: fahrende Chaise (=Kutsche) ohne Gäule. 

Der südliche Bahnübergang wurde am 07. Juli 1977 geschlossen. Der westliche Übergang dann im Jahr 1984. Die südliche Zufahrt wurde durch das Brückenbauwerk Ost ersetzt, wodurch das Neubaugebiet Reutäcker besser an Königsbach und Wilferdingen angebunden wurde. Der Verkehrsbelastung des Singener Ortskerns wurde so wesentlich verringert. Die Schließung des westlichen Bahnübergangs war in die Maßnahmen zur Pfinzkorrektur und zum Hochwasserschutz (1979 – 1984) eingebettet.